VersVG-Bestimmungen in der Praxis
| 11. Dezember 2023 | Recht
VersVG-Bestimmungen in der Praxis
§ 24 VersVG (Gefahrenerhöhung - Kündigungsrecht des VR)
(1) Verletzt der Versicherungsnehmer die Vorschrift des § 23 Abs. 1, so kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Beruht die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers, so muss dieser die Kündigung erst mit dem Ablauf eines Monates gegen sich gelten lassen.
(2) Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der Versicherer von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Erhöhung bestanden hat.
Vorbemerkung
Im Zusammenhang mit der Gefahrenerhöhung und den möglichen Konsequenzen für den VN sind stets die Bestimmungen der §§ 23 bis 32 VersVG zu beachten!
Zweck der Bestimmung
Hat der VN entgegen der Bestimmung des § 23 VersVG eine Gefahrenerhöhung ohne Zustimmung des VR vorgenommen oder durch Dritte zugelassen, so kann der VR den Versicherungsvertrag kündigen. Es handelt sich somit um eine „Kann-Bestimmung“ und der VR hat die Wahl, ob er den Vertrag durch Kündigung beendet oder trotzdem fortsetzt. Entscheidet sich der VR für eine Fortsetzung des Vertrages, kann er sich zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr auf eine Kündigungsmöglichkeit und Leistungsfreiheit berufen.
Frist zur Kündigung
Nachdem der VR Kenntnis von der Gefahrenerhöhung erlangt hat, muss er eine Frist zur Kündigung von einem Monat einhalten, ansonsten erlischt sein Kündigungsrecht. Der Verzicht des VR auf sein Kündigungsrecht hat demnach zur Folge, dass der VN von der Akzeptanz des VR ausgehen darf, auch das erhöhte Risiko unverändert unter Versicherungsschutz zu halten.
Diese Monatsfrist ist nur gewahrt, wenn die Kündigung dem VN fristgerecht zugegangen ist. Ein fristgerechtes Absenden der Kündigung durch den VR reicht nicht. Wenn der VR - wie in der Regel üblich - erst bei Eintritt eines Versicherungsfalles von der Gefahrenerhöhung erfährt, so ist seine Leistungsfreiheit (für diesen Schadensfall) nicht von einer rechtzeitigen Kündigung abhängig. Jedoch für später eintretende Versicherungsfälle könnte der VR keine Leistungsfreiheit mehr einwenden, sollte er die Kündigung nicht rechtzeitig veranlasst haben.
Fristlose Kündigung
Hat der VN die Obliegenheitsverletzung (Gefahrenerhöhung herbeigeführt oder zugelassen) verschuldet, kann der VR eine fristlose Kündigung aussprechen. Der Verschuldensgrad ist dabei unerheblich, da bereits leichte Fahrlässigkeit des VN ausreicht.
Kündigung mit einmonatiger Kündigungsfrist
Hat der VN die Gefahrenerhöhung aber nicht schuldhaft herbeigeführt oder zugelassen, so muss ihm der VR eine Kündigungsfrist von einem Monat zugestehen. Kein schuldhaftes Verhalten des VN wäre etwa anzunehmen, wenn er auf die Gefahrenerhöhung selbst keinerlei Einfluss oder keine Kenntnis von der Erhöhung des Risikos hatte. Gleiches gilt, wenn der VN unverschuldet angenommen hat, der VR habe der Gefahrenerhöhung
zugestimmt.
Spezielle Vorschrift zur Wirkung der Kündigung
Der § 103 VersVG sieht für die Gebäudefeuerversicherung eine Sonderregelung vor, wonach eine Kündigung gegenüber einem Hypothekargläubiger, der seine Hypothek dem VR angemeldet hat, erst mit Ablauf dreier Monate wirksam wird.
Formvorschrift der Kündigung des VR
Die Kündigung des VR stellt eine einseitige, empfangsbedürftige Erklärung dar, die somit nachweislich dem VN zugegangen sein muss. Wenngleich dazu keine besondere Formvorschrift zu erfüllen ist, so muss dem VN unmissverständlich die Beendigung (mit oder ohne Kündigungsfrist) erklärt werden. Im Falle einer fristlosen Kündigung endet der Versicherungsschutz unmittelbar mit dem Zugang beim VN oder einem Empfangsbevollmächtigten, etwa dem Versicherungsmakler des VN. Jedenfalls hat der VR in seine Kündigung mit dem Hinweis auf die Gefahrenerhöhung zu begründen. Hat der VR nur auf seine Leistungsfreiheit wegen Gefahrenerhöhung verwiesen, so stellt dies allein noch keine Kündigung dar.
Kenntniserlangung durch den VR
Die Frist zur Kündigung beginnt zu laufen, sobald der VR zuverlässig Kenntnis von der Gefahrenerhöhung erlangt. Ein „Kennenmüssen“ des VR ist zwar nicht ausreichend, doch muss der VR im Falle konkreter Verdachtsmomente auf eine Gefahrenerhöhung auch selbst aktiv werden, um eine Aufklärung des Sachverhaltes herbeizuführen.
Erlöschen des Kündigungsrechts des VR
Wie bereits ausgeführt, erlischt das Kündigungsrecht des VR nach Ablauf eines Monats, nachdem er von der Gefahrenerhöhung Kenntnis erlangt hat. Darüber hinaus sieht das Gesetz aber zudem ein Erlöschen dieses Kündigungsrechts vor, wenn der ursprüngliche Risikozustand - wie er vor der Risikoerhöhung bestanden hat - wieder hergestellt ist. Wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Risikozustandes noch vor dem Zugang der Kündigung des VR erfolgt, kann der VN dieser Kündigung widersprechen. Hingegen kann der VN einer bereits zugegangenen Kündigung nicht mehr widersprechen, wenn die Wiederherstellung erst danach erfolgt.
Beweislast
Die Beweislast für das Vorliegen einer gewillkürten, also vom VN veranlassten oder zugelassenen Gefahrenerhöhung liegt beim VR. Ebenso hat der VR den rechtzeitigen Zugang einer ausgesprochenen Kündigung beim VN zu beweisen.
Dagegen hat der VN zu beweisen, dass er die Gefahrenerhöhung nicht verschuldet hat, wodurch er eine fristlose Kündigung erst mit Verstreichen der Monatsfrist gegen sich gelten lassen muss. Wendet der VN ein, dass der VR einer Gefahrenerhöhung zugestimmt habe, ist er für diese Behauptung beweispflichtig. Letztlich ist der VN auch beweispflichtig für die Behauptung, der VR habe schon mehr als einen Monat vor dem Zugang der Kündigung, Kenntnis von der Gefahrenerhöhung gehabt.
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