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VersVG-Bestimmungen in der Praxis

Avatar of Gerhard Veits Gerhard Veits | 27. Februar 2024 | Recht

 

(1) Der Versicherer ist im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt.

(2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht. Der Versicherer ist jedoch auch in diesem Fall von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die im § 23 Abs. 2 vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht wird und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen, es sei denn, dass ihm in diesem Zeitpunkt die Erhöhung der Gefahr bekannt war.

(3) Die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bleibt auch dann bestehen, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist oder wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

Vorbemerkung
Im Zusammenhang mit der Gefahrenerhöhung und den möglichen Konsequenzen für den VN sind stets die Bestimmungen der §§ 23 bis 32 VersVG zu beachten!

Zweck der Bestimmung
Hat der VN entgegen der Bestimmung des § 23 VersVG eine Gefahrenerhöhung ohne Zustimmung des VR vorgenommen oder durch Dritte zugelassen, so kann der VR nicht nur die Kündigung des Vertrages aussprechen (§ 24 VersVG) sondern unter Umständen auch leistungsfrei sein. Während das Kündigungsrecht des VR auch dann besteht, wenn die Gefahrenerhöhung ohne Verschulden des VN entstanden ist, setzt eine Leistungsfreiheit des VR jedenfalls ein Verschulden des VN voraus.

Verschulden des VN
Das Verschulden des VN, das zur Leistungsfreiheit des VR führen kann, muss nicht unbedingt in der gewillkürten Herbeiführung der Gefahrenerhöhung selbst liegen, sondern kann auch in der unterlassenen Anzeige einer vom VN nicht gewillkürten Gefahrenerhöhung liegen. Das heißt, der VR kann von seiner Verpflichtung zur Leistung frei werden, wenn der VN die (unverzüglich zu erfüllende) Anzeigeobliegenheit des § 23 (2) vernachlässigt und der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen und mehr als ein Monat verstrichen ist.

Daraus folgt, dass bei fehlendem Verschulden des VN, weder in der willentlichen Herbeiführung oder Duldung der Gefahrenerhöhung durch Dritte, noch in der verabsäumten Anzeige der nicht gewillkürten Gefahrenerhöhung, der VR vollständig leistungspflichtig bleibt.

Kausalitätserfordernis
Wie bereits ausgeführt, bleibt der VR im Falle fehlender Kausalität leistungspflichtig. Das ist der Fall, wenn die Gefahrerhöhung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung des VR hatte. Das „Alles-oder-Nichts- Prinzip“ wird durchbrochen, wenn sich die Kausalität nur auf die Höhe der Versicherungsleistung auswirkt. Das im Gesetzestext verwendete Wort „soweit“ stellt klar, dass die Leistungspflicht des VR in diesen Fällen anteilsmäßig bestehen bleibt. Die Leistungsfreiheit besteht also nur bezüglich des „Mehrschadens“, dem eine Kausalität zuzuordnen ist.

Zusammenfassung:
Keine Leistungsfreiheit des VR Keine Leistungsfreiheit des VR liegt somit vor, wenn jegliches Verschulden des VN fehlt.
Keine Leistungsfreiheit des VR ist etwa gegeben, wenn der VR bereits von der Gefahrenerhöhung Kenntnis hatte, noch bevor die Frist zur Anzeige, der nicht verschuldeten Gefahrenerhöhung abgelaufen ist. Ebenfalls keine Leistungsfreiheit des VR ist gegeben, wenn die Gefahrenerhöhung keinen Einfluss auf den Eintrittdes Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistung des VR hatte. Letztlich scheidet die Leistungsfreiheit des VR auch dann aus, wenn der VR sein Kündigungsrecht gemäß § 24 VersVG nicht innerhalb der Monatsfrist ausgeübt hatte.

Wenn der VR - wie in der Regel üblich - erst bei Eintritt eines Versicherungsfalles von der Gefahrenerhöhung Kenntnis erlangt, so ist seine Leistungsfreiheit (für diesen Schadensfall) nicht von einer rechtzeitigen Kündigung abhängig.

Beweislast
Folgende Beweislast trifft den VR:
Das Vorliegen einer durch den VN gewillkürten Gefahrerhöhung. Die Tatsache, dass der Versicherungsfall nach der Gefahrenerhöhung eingetreten ist.
Alternativ: Die Tatsache, dass der Versicherungsfall nach Ablauf der Monatsfrist eingetreten ist, nachdem der VN zur (unverzüglichen) Anzeige der unverschuldeten Gefahrenerhöhung verpflichtet gewesen wäre.
Den Zeitpunkt des Zugangs seiner Kündigung beim VN. Demgegenüber muss der VN (bei erwiesener Verletzung des § 23 VersVG) das Fehlen jeglichen Verschuldens beweisen.