Doppelversicherung und Regress im Schadensfall
| 25. April 2023 | Recht
In der Schadensversicherung gilt in Österreich das gesetzlich normierte Bereicherungsverbot. Der Versicherungsnehmer soll im Schadensfall nicht besser gestellt sein, als wenn der Schaden nicht eingetreten wäre. Wurde nun ein Risiko – wissentlich oder unwissentlich – bei zwei Versicherern eingedeckt, besteht möglicherweise Handlungsbedarf, will man nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen.
Mit- und Doppelversicherung
Eine Mitversicherung liegt dann vor, wenn ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei zwei oder mehrere Versicherungsgesellschaften versichert ist und die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert entsprechen.
Eine Doppelversicherung liegt hingegen dann vor, wenn ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei zwei oder mehreren Versicherungsgesellschaften versichert ist und die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert übersteigen.
Wurde ein Interesse wissentlich gegen dieselbe Gefahr bei zwei oder mehreren Versicherungsunternehmen in Deckung gegeben (Mit- oder Doppelversicherung), muss der Versicherungsnehmer diesen Umstand bei den beteiligten Gesellschaften im Sinne des § 58 VersVG umgehend anzeigen.
Rechtsfolgen der Doppelversicherung
Die Folgen einer Doppelversicherung sind in den §§ 59 und 60 VersVG normiert und regeln folgende Sachverhalte:
■ Leistungen im Schadensfall
■ Schicksal der Verträge
Im Schadensfall haftet jeder Versicherer für jenen Betrag, den er auf Basis seines Vertrages leisten müsste. In dieser Anordnung liegt eine Abweichung gegenüber der subsidiären Regel des
§ 896 ABGB, wonach die Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verpflichtet sind. Der Versicherungsnehmer kann aber insgesamt niemals mehr Entschädigung als die tatsächlich eingetretene Schadenshöhe erlangen (Bereicherungsverbot).
Nach außen hin haften die Versicherer zur ungeteilten Hand. Der Versicherungsnehmer kann sich daher aussuchen, von welcher Gesellschaft er die Regulierung des Schadens wünscht. Im Innenverhältnis sind die Versicherer nach Maßgabe der Beträge, deren Zahlung ihnen dem Versicherungsnehmer gegenüber vertragsmäßig obliegt, untereinander zum Ersatz verpflichtet. Damit soll vermieden werden, dass ein Versicherer Prämie erhält, mangels Inanspruchnahme durch den Versicherungsnehmer, aber keine Leistungen erbringen muss.
Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag, durch welchen die Doppelversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis von dem Entstehen der Doppelversicherung abgeschlossen, so kann er im Sinne des § 60 Abs. 1 VersVG verlangen, dass der später abgeschlossene Vertrag aufgehoben oder die Versicherungssumme, unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie, auf den Teilbetrag herabgesetzt wird, der durch die frühere Versicherung nicht gedeckt ist.
Die Aufhebung oder Herabsetzung wird im Sinne des § 60 Abs. 3 VersVG erst mit dem Ablauf der Versicherungsperiode wirksam, in der sie verlangt wird. Das Recht, die Aufhebung oder die Herabsetzung zu verlangen, erlischt, wenn der Versicherungsnehmer es nicht unverzüglich geltend macht, nachdem er von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt hat.
Schadensabrechnung bei Vorliegen einer Doppelversicherung
Die solidarische Haftung bewirkt – wie bereits ausgeführt – ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers, welches die Versicherer nicht beeinflussen können. Ob der eine oder andere Versicherer in Anspruch genommen wird, liegt rein im Ermessen des Versicherungsnehmers. Die Zufälligkeit der Inanspruchnahme im Außenverhältnis hat aber keinerlei Auswirkungen auf die Lastentragung im Innenverhältnis. § 59 Abs. 2 VersVG gewährt nämlich einen Regressanspruch nach Inanspruchnahme.
Dieser Anspruch entsteht, sobald der erste Doppelversicherer seine Leistung an den Versicherungsnehmer erbracht hat. Der Regress entsteht allerdings nicht schon dann, wenn der Versicherer irgendetwas bezahlt hat. Vielmehr muss er mehr gezahlt haben, als seinem Anteil im Innenverhältnis entspricht. Diese Quote richtet sich wiederum nach dem Verhältnis der von den Versicherern im Außenverhältnis übernommenen Haftung. Relevant ist die Höhe der jeweils vom Versicherer geschuldeten Leistung und nicht die Versicherungssumme.
Ein Beispiel zum besseren Verständnis der komplexen Regressregelung1
– Versicherungswert € 120TS
– Doppelversicherung V1 und V2
Variante 1 – Intensität2 = 1 (Vollversicherung)
Der Versicherungswert einer Sache beträgt € 120TS und ist jeweils bei V1 und V2 zu diesem Wert versichert. Zahlt der V1 € 120TS an den Versicherungsnehmer, kann er € 60TS von V2 am Regresswege zurückfordern (Innenverhältnis 1:1). Hat V1 nur eine Abschlagszahlung in der Höhe von € 40TS an den Versicherungsnehmer geleistet, gibt es hingegen noch keinen Regress.
Variante 2 – Intensität > 1 (Überversicherung)
Am Innenverhältnis ändert das auch nichts, wenn die Versicherungssumme bei V1 € 150TS und bei V2 € 120TS wäre. Nimmt der Versicherungsnehmer V1 für € 120TS in Anspruch beläuft sich der Regressanspruch gegenüber V2 weiterhin auf nur € 60TS.
Beträgt die Versicherungssumme bei V2 aber nur € 60TS, so liegt Unterversicherung vor. Die solidarische Haftung zwischen V1 und V2 ist dann nur bis € 60TS gegeben. Für die restlichen € 60TS haftet V1 allein. Das Innenverhältnis beläuft sich auf 2:1. Nimmt der Versicherungsnehmer nun V1 für € 120TS in Anspruch, so kann sich V1 beim V2 nur hinsichtlich eines Betrags von € 20TS regressieren.
Hat der Versicherungsnehmer V2 mit € 60TS in Anspruch genommen, kann dieser € 40TS vom V1 verlangen. Der Versicherungsnehmer kann darüber hinaus die fehlenden € 60TS vom V1 fordern.
Wann liegt tatsächlich eine Doppelversicherung vor?
Ob tatsächlich eine Doppelversicherung vorliegt, kann erst im Zeitpunkt des Versicherungsfalles beurteilt werden. Erst wenn der Versicherungsfall sich manifestiert hat, steht fest, ob der Versicherungsnehmer Deckung aus allen Verträgen in Anspruch nehmen muss oder ob etwa die Versicherungssumme eines Vertrages ausreicht. Nur in letzterem Fall liegt eine Doppelversicherung vor.3
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