Das versicherte Risiko in der Privathaftpflicht
| 27. Oktober 2022 | Recht
Das versicherte Risiko in der Privathaftpflichtversicherung führt häufig zu Diskussionen im Schadenfall. Die Frage, ob eine „Gefahr des täglichen Lebens“ vorliegt, ist nicht immer einfach zu beantworten.
Die Versicherung erstreckt sich nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB auf Schadenersatzverpflichtungen des VN als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit. Dazu enthalten die Bedingungen auch eine Auflistung von Risikobereichen, die versichert sind (z.B. Haltung und Verwendung von Fahrrädern). Diese Auflistung ist allerdings nicht taxativ. Viele weitere Risikobereiche sind natürlich gedeckt, weil es „unendlich“ viele Risikobereiche gibt, die eine Gefahr des täglichen Lebens darstellen.
Bei durchaus üblichen Tätigkeiten - wie z.B. Fahrradfahren - kann sich aus weiteren Umständen ergeben, dass keine Gefahr des täglichen Lebens mehr vorliegt. Das zeigt auch eine aktuelle Entscheidung des OGH (OGH 7 Ob 7/22p, versdb 2022, 25): Der Sohn des VN fuhr mit seinem Fahrrad stark alkoholisiert mit mindestens 1,5 ‰ und überdies ohne Licht in der Nacht trotz Vorhandenseins eines von der Fahrbahn abgegrenzten Fahrradwegs auf einer unbeleuchteten Landesstraße und schwenkte ohne Handzeichen plötzlich nach links, wodurch es zum Unfall mit der überholenden Mopedlenkerin kam. Der Versicherte schuf damit eine besondere Gefahrensituation, die nicht nur eine außergewöhnliche Gefahr für ihn selbst, sondern vor allem auch für andere Verkehrsteilnehmer mit sich brachte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit bestand. Eine solche Situation tritt erfahrungsgemäß auch im normalen Lebenslauf nicht immer wieder ein. Im vorliegenden Fall hat sich daher nach Ansicht keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht. Der Versicherer ist leistungsfrei.
Auch besonders aggressives Verhalten oder Gewalttaten können bewirken, dass keine Gefahr des täglichen Lebens mehr vorliegt. Mischt sich beispielsweise der VN aktiv in eine Handgreiflichkeit ein und versetzt dabei einem Kontrahenten einen „Schupfer“, der weder Abwehrreaktion noch Reflexhandlung oder Schlichtungsversuch ist und zu einer schweren Verletzung einer dritten Person führt, liegt keine Gefahr des täglichen Lebens vor (OGH 7 Ob 18/17y, versdb 2017, 14). Einen Schlichtungsversuch wird man wohl anders beurteilen müssen.
Ehrenamtliche Tätigkeit ist grundsätzlich eine Gefahr des täglichen Lebens. So zählt etwa die ehrenamtliche Mitarbeit des VN bei Aufräumungsarbeiten nach einer Festveranstaltung mit Hilfe eines (nicht kennzeichenpflichtigen) Hubstaplers zu den Gefahren des täglichen Lebens. Schadenersatzforderungen daraus sind daher gedeckt (OGH 7 Ob 220/13y).
Nicht alle Risiken, die man wohl auf den ersten Blick nicht als Gefahr des täglichen Lebens einstufen würde, sind vom Versicherungsschutz ausgenommen. So ist etwa der Motorradrennsport nach Ansicht des OGH eine gebräuchliche Sportart. Dieser kann zulässigerweise auf abgeschlossenen Rennstrecken ausgeübt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen VN Trainingsfahrten mit üblichen Motorrädern auf einer abgeschlossenen Rennstrecke im Rahmen einer Motorsportveranstaltung zur Sportausübung und damit zu den versicherten Gefahren des täglichen Lebens zählen (OGH 7 Ob 192/16k, versdb 2017, 6). Das Fahrzeug im vom OGH entschiedenen Fall trug kein Kennzeichen, weil es für die Verwendung auf einer abgeschlossenen Rennstrecke auch keines benötigt (§ 1 KFG). Somit liegt diesbezüglich kein Ausschlusstatbestand vor (KFZ-Ausschluss).
Eine berufliche Tätigkeit ist vom Versicherungsschutz ausgenommen. Übt der VN jedoch eine Tätigkeit, die auch Gegenstand seines Berufes ist, in der Freizeit aus, dann besteht für dieses Risiko grundsätzlich Versicherungsschutz. Stellt ein Tischler beispielsweise in seiner Freizeit Möbel für den eigenen Bedarf oder aus Gefälligkeit für einen Bekannten her, besteht – wie auch für jeden anderen reinen Hobbytischler – Versicherungsschutz. Verlegearbeiten aus Gefälligkeit im Rahmen des Privatlebens gehören noch zu den Gefahren des täglichen Lebens, auch wenn der VN dabei seine beruflichen Kenntnisse einsetzt. Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Pfusch.
Probleme verursacht in der Praxis auch die Abgrenzung zwischen Privathaftpflicht und Haus- und Grundbesitzhaftpflicht. Bei folgendem Fall entschied der OGH, dass Deckung aus der Privathaftpflichtversicherung besteht: Der VN ist Mieter der im Eigentum seiner Schwiegermutter stehenden und im ersten Obergeschoss des Wohngebäudes situierten Wohnung. Im Jahr 2018 beauftragte er eine Baufirma mit der Durchführung von Umbauarbeiten. Für den Einbau einer neuen Küche wurden die Wände durch die Montage von Rigipsplatten begradigt. Die Rigipsplatten wurden dabei in Aluminiumrahmen eingesetzt, welche an den Wänden sowie am Boden angeschraubt wurden. Im Zuge des Anschraubens eines Aluminiumrahmens am Fußboden beschädigte ein Mitarbeiter der Baufirma ein Heizungsrohr. Das in der Folge aus der Heizungsanlage ausgetretene Wasser verursachte einen erheblichen Wasserschaden in der im Erdgeschoss des Hauses von einem Tierarzt betriebenen Praxis. Entscheidung des OGH: Der durchschnittlich verständige VN wird die allgemeine Risikobeschreibung in Art 12.1.1 ABH „Schadenersatzverpflichtungen des VN als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens (mit Ausnahme einer betrieblichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit) insbesondere als Wohnungsinhaber (nicht als Haus- und/oder Landbesitzer)“ nämlich einerseits als Abgrenzung zur Privat-Haftpflichtversicherung eines Haus- und Grundbesitzers und andererseits dahin verstehen, dass die typischen Risiken eines Wohnungsinhabers an sich nach den Versicherungsbedingungen den Gefahren des täglichen Lebens unterstellt werden und ihnen damit Versicherungsschutz zuerkannt wird. Die Gefahr der Inanspruchnahme nach § 1318 ABGB (Haftung des Wohnungsinhabers) stellt ein solches typisches Risiko ausschließlich des Wohnungsinhabers dar, der nach dieser Bestimmung allein haftbar gemacht werden kann.
Fazit
Wie man sieht, gibt es unterschiedliche Fallkonstellationen in der Privathaftpflichtversicherung sowie auch zahlreiche Entscheidungen zur Auslegung des Begriffes „Gefahr des täglichen Lebens“. Im konkreten Einzelfall ist es durchaus hilfreich, wenn man einen Überblick über die Judikatur zu diesem Themenbereich hat, weil man so sehr gut einschätzen kann, ob Deckung besteht oder eben nicht.
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