Serie Sozialversicherung – Primärversorgungs- einheiten
| 27. September 2023 | Wirtschaft & Steuern
Liegt eine Krankheit vor, besteht aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in erster Linie ein Anspruch auf Krankenbehandlung. Diese Behandlung umfasst die direkte ärztliche Hilfe, Heilmittel (Medikamente) und Heilbehelfe (Schienen oder Krücken).
Krankenbehandlung – vier Schritte
Der Versicherte sollte hinsichtlich der Krankenbehandlung – falls möglich – folgende Schritte einhalten:
1. Schritt: 1450 – telefonische Rund-um-die-Uhr-Gesundheitsberatung
2. Schritt: Arztpraxen, Ambulatorien oder Primärversorgungseinheiten – ärztliche Hilfe
3. Schritt: medizinische Hauskrankenpflege
4. Schritt: Anstaltspflege in der allgemeinen Gebührenklasse
Die ärztliche Hilfe unterscheidet sich von der Anstaltspflege vor allem dadurch, dass sie ambulant ohne die typischen Pflegeleistungen einer stationären Krankenhausaufnahme (z.B.: Verköstigung, Körperpflege usw.) erbracht wird.
Schritt 1 und Schritt 2 der Krankenbehandlung werden gemeinsam unter dem Begriff Primärversorgung zusammengefasst. Darunter versteht man die erste Anlaufstelle bei allen gesundheitsbezogenen Fragen im öffentlichen Gesundheitssystem. Neben der Behandlung von akuten oder chronischen Erkrankungen leistet sie auch einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention in der Bevölkerung.
Primärversorgungseinheiten
In gesundheitlichen Belangen kommt in den letzten Jahren neben den niedergelassenen Hausärzten den Primärversorgungseinheiten eine besondere Bedeutung als erste, wohnortsnahe Kontaktstelle zu. Solche Einheiten können entweder als Zentren an einem Standort oder als Netzwerk an unterschiedlichen Orten konzipiert sein.
Primärversorgungseinheiten behandeln ihre Patienten gemeinsam und aufeinander abgestimmt. Bei diesen Einheiten handelt es sich um Zusammenschlüsse von Allgemeinmedizinern in Kooperation mit weiteren Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen, wie beispielsweise Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten oder Diätologen. Aktuell gibt es rund 50 derartige Einrichtungen in Österreich. Die Verrechnung erfolgt, sofern die erbrachten Behandlungen vom Leistungskatalog der jeweiligen Krankenversicherungseinrichtung (Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalt) erfasst sind, mittels E-card.
Aufgaben der Primärversorgungseinheiten
Als erste Anlaufstelle erfüllen Primärversorgungseinrichtungen folgende Aufgaben:
■ Erkennung, Diagnostik und Behandlung von akuten, chronischen und Mehrfach-Erkrankungen durch kurative, pflegerische, rehabilitative und
palliative Maßnahmen und Tätigkeiten,
■ Schulung und Anleitung von Patienten und deren pflegende Angehörige oder Betreuern,
■ Gesundheitsförderung,
■ Krankheitsprävention,
■ soziale Unterstützung, psychosoziale und psychische Betreuung,
■ wohnortnahe und aufsuchende Versorgung im Wohnumfeld,
■ kontinuierliche Betreuung,
■ Koordination des Versorgungsprozesses.
Vorteile für die Patienten
Die Vorteile der Patienten liegen auf der Hand:
■ unkomplizierter und rascher Zugang zu einer kompetenten Erstkontaktstelle,
■ kurze Wege und eine enge Abstimmung der Behandlungen im Primärversorgungsteam,
■ One-Stop-Shop-Prinzip – alles aus einer Hand,
■ Gewinnen weitere Ansprechpersonen,
■ längere Öffnungszeiten inklusive Tagesrand-zeiten,
■ Zugriff auf ein erweitertes Leistungsangebot,
■ Entwicklung einer stärkeren Gesundheitskompetenz,
■ Nutzung von Angeboten zur Gesundheitsförderung und Prävention,
■ zielgerichtete Versorgung,
■ Vermeidung von Krankenhausaufenthalten.
Novelle zum Primärversorgungsgesetz
Durch die Änderungen des Primärversorgungsgesetzes (PrimVG) gibt es zukünftig PVE, die sich der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen widmen – sogenannte Kinder-PVE. Kinder-PVE sind speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Primärversorgungseinheiten. Hier arbeiten Kinderärztinnen und Kinderärzte eng mit Personen anderer Gesundheits- und Sozialberufe zusammen. Damit soll eine umfassende Gesundheitsversorgung möglich sein.
Im Juli 2023 hat der österreichische Nationalrat die Novelle des Primärversorgungsgesetzes beschlossen. Ziel dieser Gesetzesänderung ist es, den niedergelassenen Bereich deutlich auszubauen und eine umfassende, wohnortnahe Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen. Statt den aktuell rund 50 Primärversorgungseinheiten soll sich die Zahl bis 2025 verdreifachen. Die Novelle ermöglicht eine einfachere, schnellere Gründung und eröffnet so neue Möglichkeiten der umfassenden medizinischen Erstversorgung. Zukünftig wird es auch Versorgungseinheiten geben, die sich ausschließlich der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen widmen werden. Multiprofessionelle Teamarbeit rückt somit in allen medizinischen Bereichen immer mehr in den Fokus.
Fazit
Primärversorgungseinheiten gehören mit Sicherheit die Zukunft. Sie werden – nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Gesetzesnovelle – immens an Bedeutung gewinnen und Hausärzte sowie Ambulanzen erheblich entlasten. Der unkomplizierte, rasche, ortsnahe Zugang zu einem kompetenten Erstkontakt in medizinischen Belangen einerseits und das One-Stop-Shop-Konzept andererseits sind Garanten für eine deutliche Qualitätssteigerung der Gesundheitsversorgung in Österreich.
Quellen:
www.gesundheitskasse.at
primärversorgung.gv.at
www.sozialminsterium.at