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Serie Sozialversicherung - Kausalitätsprinzip und Irrelevanz von Mitverschulden in der gesetzlichen Unfallversicherung

Avatar of Mag. Alexander Meixner Mag. Alexander Meixner | 30. Mai 2023 | Recht

 

Die gesetzliche Unfallversicherung ist nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung des Dienstnehmers auf einen Arbeits- bzw. Wegunfall oder eine Berufskrankheit zurückgeht. Es muss demnach, anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung, Kausalität gegeben sein.

Die besondere Problematik der Zurechnung in der gesetzlichen Unfallversicherung basiert auf dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, welches eine strenge Trennung zwischen geschützten Tätigkeiten bzw. Ursachen, bei denen der Sozialversicherungsträger voll leistungspflichtig ist, und nicht mehr dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterliegenden Tätigkeiten bzw. Ursachen, bei denen der Unfallversicherer zur Gänze leistungsfrei ist. Die Zurechnungsprobleme werden also immer dort virulent, wo die Schadensursachen nicht allein aus dem geschützten Bereich kommen.

Auch ein Selbstmord kann auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sein. Im konkreten Fall war maßgeblich, dass die Depressionen, die letztendlich zum Suizid des Versicherten führten, ganz wesentlich durch die Folgen des Arbeitsunfalles ausgelöst und geprägt wurden. Der Selbstmord wurde in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen und diese Unzurechnungsfähigkeit war eine Folge des Arbeitsunfalles.1

Wird der Versicherte bei einer geschützten Tätigkeit Opfer eines Verbrechens, liegt ein Arbeitsunfall vor, wenn der Angriff aus einem betriebsbezogenen Motiv erfolgt und seine Ursache nicht im Privatleben hat.2

Für die Frage, ob aus der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen gebühren, ist in der Regel ein Allein- oder Mitverschulden des Versicherten nicht von Relevanz. Dies folgt insbesondere aus dem § 175 Abs. 6 ASVG, wonach verbotswidriges Handeln die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht ausschließt.

Eine Ausnahme von dieser Norm stellen die so genannten Risikoerhöhungsfälle dar. Ein besonders gefährliches Verhalten des Versicherten kann zum Verlust des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes führen. Bei der Verrichtung gefährlicher Tätigkeiten, beispielweise beim Lenken eines Krans, ist darüber hinaus grundsätzlich ein höherer Sorgfaltsmaßstab des Versicherten anzusetzen. Relativ streng ist die Judikatur, wenn die Alkoholisierung des Versicherten am Unfall mitgewirkt hat. Damit eine Beeinträchtigung durch Alkohol den Zurechnungszusammenhang zum Arbeitsunfall auslöst, ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob sich der Unfall auch ohne Alkoholgenuss ereignet hätte. Keinen Versicherungsschutz sah das Gericht als gegeben, wenn der Fahrfehler beim Kurvenlenken wegen der Fahruntüchtigkeit durch 1,03 Promille Restalkohol erfolgt.3 Gleiches wird bei Fahrten unter Drogeneinfluss gelten.

Außerhalb der Alkoholisierungsfälle ist die Judikatur dagegen großzügig und versagt den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nur bei völlig unvernünftigem und unsinnigem Verhalten. Unfallversicherungsschutz wurde beispielsweise bejaht bei einer Fahrt über die Kreuzung trotz Rotlichts4,
beim Umfahren eines Bahnübergangs bei geschlossenen Schranken5 oder beim Befahren einer 270-Grad-Kurve mit weit überhöhter Geschwindigkeit.6

1  DSSV-NF 5/6
2  SSV-NF 14/122
3  SSV-NF 31/33
4  SSV-NF 2/102
5  SSV-NF 3/81
6  SSV-NF 28/47

Quellen:
Haslinger; Sozialrecht – Grundlagen und Fälle; Facultas
www.ris.gv.at