Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung im Homeoffice (Telearbeit)
| 15. März 2021 | Wirtschaft & Steuern
Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung ereignen.
Dieser Grundsatz gilt auch bei Homeoffice: Es stehen nur solche Tätigkeiten unter Versicherungsschutz, die sich im kausalen (ursächlichen) Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung ereignen. Das bedeutet, dass sich der Versicherungsschutz beim Homeoffice vom Grundsatz her nur auf die eigentliche berufliche Tätigkeit und nicht auf den Privatbereich erstreckt.
Wie kompliziert die Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Sphäre sein kann, zeigt ein bereits vor einigen Jahren entschiedener Fall des OGH, der zu beurteilen hatte, ob ein Wirtschaftsberater, der sich in seinem viergeschossigen Wohnhaus auf dem Rückweg von der Toilette im 3. Obergeschoss auf einer Holztreppe, die meistens dazu benützt wurde, den Arbeitsplatz in seinem Büro im 4. Obergeschoss einzunehmen, schwer verletzte (Riss der Achillessehne), als Arbeitsunfall qualifiziert werden kann.
Die Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes unterschied in diesem konkreten Fall ziemlich scharf danach, wo genau sich im Wohnhaus – im privaten oder betrieblichen Bereich oder auf dem Weg zum Büro – der Unfall ereignet hat. Konkret ging es darum, ob sich der Unfall in einem „wesentlichen betrieblichen Zwecken dienenden Teil des Gebäudes“ ereignet hat, der „nicht mehr zu den ausschließlich den persönlichen Lebensbereich“ des Arbeitnehmers zuzurechnenden Teilen der Wohnung gehört. Nur dann liege ein Arbeitsunfall mit gesetzlichem Unfallversicherungsschutz vor.
Im konkreten Fall hat der OGH den gegenständlichen Sachverhalt als Arbeitsunfall beurteilt, weil die Holztreppe auf dem Rückweg von der privaten Toilette zum Büro seiner Rechtsmeinung nach bereits einen wesentlichen betrieblichen Zwecken dienenden Teil des Gebäudes darstellt. Eben deswegen, weil die Holztreppe überwiegend dazu benutzt wurde, das Büro zu erreichen.
Allgemein gilt, dass im Sinne des ASVG und der aktuellen Rechtsprechung folgende Tatbestände von der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen sind:
■ Unfälle am Weg auf die Toilette;
■ Unfälle bei der Zubereitung eines Essens;
■ Unfälle, die sich in Teilen der Wohnung ereigneten, die nicht den wesentlichen betrieblichen Zwecken dienen;
■ Wegunfälle oder
■ Berufskrankheiten
Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurden – zeitlich befristet – einige gesetzliche Sonderbestimmungen erlassen, die den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung im Zuge der Telearbeit erheblich verbessern bzw. deutlich erweitern.
Die folgenden Ausführungen zeigen den Umfang des Versicherungsschutzes, wie er schon vor den befristeten Sonderregelungen bestand. Temporäre Abweichungen werden separat beschrieben.
Erweiterung des Versicherungsschutzes durch befristete Sonderregelungen
Für Unfälle ab dem 11.03.2020 bis zum 31.03.2021 wurden mit dem 3. Covid-19-Gesetz sowie dem 2. Sozialversicherungsänderungsgesetz Ausnahmen von diesen Regelungen angeordnet und der Versicherungsschutz für das Homeoffice erweitert. Dies betrifft insbesondere den Schutz bei der Verrichtung lebensnotwendiger Bedürfnisse am Aufenthaltsort oder in dessen Nähe und bestimmte Wege.
Derzeit wird in vielen Fällen der Aufenthaltsort (die Wohnung) der Versicherten zwangsweise zum Arbeitsort.
Wo besteht Versicherungsschutz?
Das kann die Wohnung (ständiger Aufenthaltsort) oder auch eine Zweitwohnung, ein Wochenenddomizil, sein. Dieser Ort muss nur geeignet sein, eine ernsthafte berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Für den örtlichen Zusammenhang bei der Verrichtung der Homeoffice-Arbeit im Bereich dieses Aufenthaltsorts zählen ebenfalls nur solche Bereiche des Hauses oder der Wohnung, in denen eine ernsthafte Arbeit vorstellbar ist.
Wann besteht Versicherungsschutz?
Versicherungsschutz besteht grundsätzlich nur während der Zeit der Telearbeit. Die Fixierung einer bestimmten Mindestanwesenheitszeit und dergleichen dient nur als Indiz, dass ein Unfall in dieser Zeit ein Arbeitsunfall ist. Auch bei einer betrieblichen Tätigkeit außerhalb der Erreichbarkeitszeit ist Unfallversicherungsschutz gegeben.
Die Erhebungen und Prüfungen, bei welcher Tätigkeit die Mitarbeiter zu Schaden gekommen sind, sind im Wesentlichen dieselben wie bei einem herkömmlichen Arbeitsunfall. Aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht ist es daher ratsam, dass Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Vereinbarungen über die Arbeitszeit treffen und diese entsprechend vorliegen.
Befristete Sonderregelung für Verrichtung lebensnotwendiger Bedürfnisse
In dem oben definierten Zeitraum der Sonderregelungen sind auch Unfälle geschützt, die sich bei der „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ ereignen. Darunter versteht man Essen, Trinken und den Gang aufs WC. Diese Tätigkeiten, die sonst nur am Arbeitsort (Firma) oder in dessen Nähe geschützt sind, sind im Zusammenhang mit dem Homeoffice im definierten Zeitraum auch am Arbeitsort (Homeoffice) geschützt. Aufgrund der „Verlagerung“ dieses Schutzes vom „Arbeitsort Firma“ zum „Arbeitsort Homeoffice“ sind aber nur solche Speisenzubereitungen erfasst, die auch sonst in einer Küche am Arbeitsort vom Umfang her üblich sind.
Versicherungsschutz auf Wegen im Zusammenhang mit Homeoffice
a) Wege innerhalb des Aufenthaltsortes (Haus oder Wohnung) Bei Unfällen auf einem Weg in diesen Räumlichkeiten besteht Versicherungsschutz beim Begehen von Bereichen, die wesentlich auch betrieblichen Zwecken dienen (etwa eine Treppe, über die man das Arbeitszimmer oder den Homeoffice-Arbeitsplatz erreicht).
b) Befristete Sonderregelung für Wege innerhalb des Hauses bzw. der Wohnung Wege im Zusammenhang mit der Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse (Wege zwischen dem Ort der beruflichen Tätigkeit und Küche oder WC) sind im oben definierten Zeitraum geschützt.
c) Wege außerhalb des Aufenthaltsortes (Homeoffice) Geschützt sind direkte Wege („Arbeitswege“) zwischen dem Aufenthaltsort (Homeoffice) und der Arbeitsstätte (Firma). Wird auf solchen Arbeitswegen ein Arztbesuch erledigt (dieser Umweg ist der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber im Vorhinein zu melden!) oder ein Kind zur Kinderunterbringung (Tagesmutter, Kindergarten etc.) gebracht oder abgeholt, besteht auf einem sich ergebenden Umweg vom direkten Arbeitsweg ebenfalls Schutz.
d) Befristete Sonderregelung für Wege außerhalb des Aufenthaltsortes (Homeoffice)
Für Wege, deren Ausgangs- und Endpunkt der Aufenthaltsort (Homeoffice) ist, besteht Versicherungsschutz im Zusammenhang mit folgenden Tätigkeiten:
■ Aufsuchen einer ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsstelle
Achtung: Dieser Arztbesuch ist der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber vorher zu melden!
■ Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes, auch wenn dieses von der bzw. dem Versicherten beigestellt wird.
■ Inanspruchnahme von gesetzlichen beruflichen Vertretungen oder Berufsvereinigungen.
■ Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse in der Nähe des Aufenthaltsortes (Homeoffice), während der Arbeitszeit und der Arbeitspausen.
■ Behebung eines Großteils des Arbeitsentgelts bei einer Bank (aufgrund der Verbreitung von Girokonten und bargeldlosem Zahlungsverkehr z. B. für die Bezahlung der Miete und anderer großer Ausgaben kommt das nur mehr theoretisch vor).
■ Bringen eines Kindes zur Kinderbetreuung, Tagesbetreuung, in fremde Obhut, sofern dem oder der Versicherten für das Kind eine Aufsichtspflicht zukommt.
Nachweis und Beweislast
Für Unfälle außerhalb der Betriebsstätte gibt es keine anderen oder strengeren Nachweispflichten und es sind auch die gleichen Formulare (für die Unfallmeldung) zu verwenden. Der einzige Unterschied liegt darin, dass bei vom Dienstgeber gemeldeten Unfällen im Betrieb die Erhebungen meist einfacher sind als bei Unfällen, die sich „zu Hause“ ereignen.
Dennoch wird hier, wie bei den Wegunfällen, durch Zeugen- und Beteiligtenbefragungen, Ortsaugenscheine und Erstellung von Gutachten ermittelt, wie es zu dem Unfall gekommen ist.