Risikomanagement für Gemeinden und kommunale Einrichtungen
| 01. Mai 2019 | Wirtschaft & Steuern
Risikomanagement für Gemeinden und kommunale Einrichtungen
Die vielen Tätigkeitsbereiche einer Kommune bergen ein großes Maß an Risiken und Haftungen. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass die Ansprüche der BürgerInnen und des Gesetzgebers immer grösser werden. Für Ereignisse die früher einmal als Risiko der Gemeinschaft akzeptiert wurden, muss heute ein „Schuldiger“ gefunden werden. „Die Zahl der Schadensfälle durch Fehlentscheidungen staatlicher Organe steigt.“ – dieser Satz aus einem juristischen Praxishandbuch verdeutlicht die Problematik mit der sich BürgermeisterInnen und AmtsleiterInnen immer stärker auseinandersetzen müssen und die sich immer mehr zum Albtraum für die Vertreter der Gebietskörperschaften entwickelt, haften doch Bürgermeister für Zivilklagen im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit mit ihrem privaten Vermögen. Amtshaftungsklagen sind groß in Mode, doch was kann man dagegen tun, wie kann man sich als Vertreter einer Gebietskörperschaft absichern?
Auch in Kommunen setzt sich immer mehr ein Risikomanagement-Ansatz durch, welcher weit über den Abschluss einer Versicherung hinausgeht. Durch Kooperation mit spezialisierten externen Beratern können neue Erkenntnisse und Ansatzpunkte für ein professionelles Risikomanagement vor Ort gewonnen werden.
Ist ein Schadensfall erst einmal eingetreten, spielt es für die Betroffenen in der akuten Situation eine untergeordnete Rolle, welches Glied der Kette versagt hat. Aber ist das wirklich so?! Vielleicht im ersten Moment, aber bald werden Fragen gestellt: „Wie konnte das passieren?“, “Was hat nicht funktioniert?“ oder „Wieso hat man das nicht vorher gewusst?“, bis zur Frage nach dem Verantwortlichen/Schuldigen. Dann ist der Schritt zu einer Amtshaftungsklage nicht mehr weit. Doch was kann man vor dem Hintergrund dieser Entwicklung tun, wie kann man sich bestmöglich schützen?
Wenn heute etwas passiert, wird oft versucht, es mit „höherer Gewalt“ zu erklären. Doch sehr oft liegen Ursachen im Bereich organisatorischer Mängel oder konzeptioneller Unterlassungen oder Fehler und damit einem fehlenden oder unzureichenden Risikomanagement. Unterbrechungen des „Betriebes“, und eine Gemeinde hat viele Funktionen, welche erst im Unterbrechungsfall so richtig wahrgenommen werden, wurden im Nachhinein gesehen „in Kauf genommen“. Risikomanagement und Betriebsfortführungsplanung (BCP) werden häufig nur für produzierende Betriebe als erforderlich gesehen, besitzen aber eine ebenso hohe Bedeutung für Gebietskörperschaften, wie Städte und Gemeinden.
Die sich ständig ändernden juristischen, technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern eine Aufmerksamkeit, für die die meisten Kommunen nicht die entsprechenden „Apparate“ vorhalten können. Erforderliche Anpassungsprozesse können nicht zeitgerecht erfolgen, oder erfolgen erst nachträglich und unter Zeitdruck zu schnell und somit nicht „organisch“.
Neben Industrie, Gewerbe und Handel müssen sich auch Kommunen den Herausforderungen bei der Umstellung im Systembereich wappnen und für Veränderungsrisiken rüsten. Nicht nur in der Bewältigung von Katastrophen oder Krisen können Gemeinden und Unternehmen voneinander lernen, gerade im alltäglichen Risikomanagement liegt großes Potenzial. Denn da wie dort darf der Fokus nicht nur auf den monetären Interessen liegen, sondern auf dem Aufrechterhalten des Betriebes und der Dienstleistungen sowie dem Wohlergehen von MitarbeiterInnen und BürgerInnen.
Ein sehr zielführender Ansatz ist statt in Gefahren in Auswirkungen zu denken. Beim Katastrophenschutz ist das schon weitgehend etabliert, im Umgang mit andere Risiken steht das noch oft im Hintergrund.
Bei einer professionellen Risikoanalyse stehen die Auswirkungen im Vordergrund. Sind diese schwerwiegend werden sie auch bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit betrachtet. Wichtig ist, dass man klar definiert welche Gefahren in Hinblick auf ihre Auswirkungen analysiert werden sollen. Klassisch sind das:
■ Grundgefahren: Feuer und Verrauchung
■ Naturgefahren: Erdbeben, Überschwemmung, Sturm, Hagel, Schneelast
■ Sonstige Gefahren: Leitungswasser
Wichtig sind aber auch
■ Betriebsunterbrechung,
■ Ausfallrisiken und
■ Haftungen
Gerade der Haftungsbereich unterliegt einem ständigen Wandel. Umweltschutz, Datenschutz, Compliance sind ein paar „Begriffe“ der letzten Zeit mit massiven potenziellen Auswirkungen.
Risikomanagement für eine Gemeinde
Als Beispiel dient eine Risikoanalyse, die für eine Gemeinde mit knapp unter 5.000 Einwohnern erstellt wurde.
Im ersten Teil dieser Risikoanalyse wurden die Volksschule und der Kindergarten untersucht. Dabei ging man auf die klassischen Gefahren wie Feuer, Explosion und Naturgefahren ein. Das darauffolgende Kapitel beinhaltet einen detaillierten Überblick über die Haftungsrisiken und weitere Risiken beider Standorte. Das abschließende Kapitel beschreibt die identifizierten Risikoverbesserungsmaßnahmen.
Die Risikobewertung erfolgt mittels eines Bewertungskataloges in 2 Dimensionen:
1. Gefahrenpotenzial: Analyse von Gefahren und Risiken für den Standort.
Die Bewertung zeigt die Einstufung von Gefahren und Risiken im Vergleich zu typischen (vergleichbaren) Beispielen innerhalb der Betriebsartgruppe.
2. Schutzmaßnahmen: Darstellung bestehender Maßnahmen zur Reduzierung der Gefahren und Risiken für den Standort. Die Bewertung zeigt die Einstufung von Schutzmaßnahmen im Vergleich zu typischen (vergleichbaren) Beispielen innerhalb der Betriebsartgruppe.
Schon im Verlauf der Risikoanalyse wurde im Hinblick auf bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen deutliches Verbesserungspotenzial erkannt. Die daraus abgeleiteten Verbesserungsvorschläge zielten neben der generellen Verminderung des Schadenpotenzials vor allem darauf ab, das Risiko eines folgenschweren Großschadens zu vermindern.
Ein großes Thema war die Fortführung des Betriebes von Kindergarten und Schule im Schadenfall! Die Betriebsfortführung nach einem Schaden stellt eine Vielzahl von Anforderungen an Örtlichkeit, Räumlichkeit, Ausstattung, Organisation, übergeordnete Verwaltung, etc. Für die kurzfristige Nutzung von bestehenden oder neuen Räumlichkeiten sind Planungen im Vorfeld notwendig, um im Ernstfall diese aus der „Schublade“ ziehen zu können und rasch und zielgerichtet zu handeln und die Ausfallzeit so kurz wie möglich zu halten. Darum ist BCP (Business Continuity Planning) ein unumgänglicher Bestandteil eines gewissenhaften Risikomanagements.
Mit den Auftraggebern wurde im konkreten Beispiel eine maximal tolerierbare Ausfallzeit (MTPD) für den Kindergarten und für die Volksschule erarbeitet. Die Kombination von Risikomanagement (inklusive einer Betriebsfortführungsplanung) und einer entsprechenden professionellen Versicherungslösung war in diesem konkreten Beispiel die optimale Variante für die Organe (Bürgermeister und Amtsleitung) um nicht nur die Risiken für die Gemeinde zu minimieren, sondern auch darüber hinaus vorbeugend dem Trend zu Amtshaftungsklagen zu begegnen. Die Bandbreite der möglichen Risiken erstreckt sich von den zuvor erwähnten Risiken über die Haftung für Datenschutzverletzungen und den Lieferantenmangel im Schadenfall bis hin zur Wegehalterhaftung. Hier an alle Eventualitäten zu denken ist nahezu unmöglich, es bedarf der Unterstützung von bestens ausgebildeten und erfahrenen Experten. Hat man im Vorfeld bereits mögliche Schadenszenarien antizipiert und davon ausgehend präventiv versucht, potentielle Schäden zu minimieren, kommen auch viele Abhängigkeiten und Zusammenhänge zum Vorschein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist proaktiv zu denken. Risikomanagement lebt als Prozess, der nach größeren Veränderungen oder zumindest in regelmäßigen Abständen durchlaufen wird. Erst die Prozessorientierung ermöglicht ständige Verbesserung. Des Weiteren empfiehlt sich laufendes Fehlermanagement und die systematisierte Aufarbeitung von „Beinahe-Unfällen“ sowie eine offene Risikokultur in der Organisation. Das bietet die Chance, den Risikomanagement-Prozess ständig zu verbessern und daraus langfristig Einsparungen zu erzielen. Verbesserte Steuerungsmöglichkeiten und handfeste wirtschaftliche Vorteile rechtfertigen die Finanz- und Personalressourcen für die Umsetzung von nachhaltigem Risikomanagement. Verantwortliche in Kommunen brauchen Rüstzeug und Lösungsansätze für die Zukunft.
- Stichworte:
- ausgabe 01/2019
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