Prämienanpassung
| 02. Dezember 2021 | Wirtschaft & Steuern
Die Zahlung der Prämie – bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit spricht man vom Beitrag – ist im § 1 Abs 2 VersVG als Hauptpflicht des Versicherungsnehmers definiert. Diese Pflicht ist gerichtlich einklagbar, weshalb man auch von einer Rechtspflicht spricht. Streng genommen sind Prämien Jahresbeträge, die im Voraus fällig sind. In der Praxis werden auch unterjährige Prämienzahlungen – selten gegen Zuschläge – angeboten.
Prämienhöhe
Die Prämie ist im Grundsatz Vereinbarungssache. Eine staatliche Preisregulierung findet in keiner Versicherungssparte statt. Die Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB findet auf die Einigung der Vertragsparteien keine Anwendung, weil sie die Hauptleistung des Versicherungsnehmers betrifft.
Der freien Vereinbarkeit sind nur wenige Grenzen gesetzt. Es gilt ein Diskriminierungsverbot aufgrund einer Behinderung oder des Geschlechts. Daneben gibt es prämienspezifische Einschränkungen. Der Versicherer darf aus Transparenzgründen neben der Prämie keine weiteren Gebühren – beispielsweise Zahlscheingebühren – vereinbaren.
Anpassungsklauseln
Die Kalkulation der Prämie durch den Versicherer erfolgt zum Vertragsabschluss. Er kann daher nur die zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände berücksichtigen. Die Verhältnisse können sich während der Vertragslaufzeit freilich ändern und zu unerwünschten Konsequenzen für die Leistungspflicht des Versicherers, die Prämie und das Äquivalenzverhältnis führen.
Um diesen Effekt zu vermeiden, verlassen sich die Assekuranzen nur in den seltensten Fällen darauf, später mit dem Versicherungsnehmer neue – den dann vorherrschenden Umständen Rechnung tragende – Vereinbarungen zu treffen. Vielmehr sehen sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen häufig Anpassungsklauseln vor, die das bei Vertragsabschluss bestehende Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fortschreiben, um so dem Äquivalenzprinzips auch im Laufe der Zeit gerecht zu werden.
Äquivalenz kraft Gesetzes
§ 56 VersVG, der den Tatbestand der Unterversicherung regelt, sichert zwar auch das Äquivalenzverhältnis ohne Anpassungsklausel, führt aber auf Seiten beider Vertragsparteien zu unerwünschten Ergebnissen. Der Versicherungsnehmer muss im Schadensfall eine Leistungskürzung hinnehmen, der Versicherer sieht sich mit unzufriedenen Kunden und Rechtstreitigkeiten konfrontiert, sofern er nicht eine „zu billige“ Versicherung mit Verzicht auf Unterversicherung akzeptiert.
Die Lösung ist eine Wertsicherungsklausel, durch die Versicherungssummen und Prämien automatisch – an die Inflationsrate – angepasst werden.
Klauselkontrolle
Solche Vereinbarungen unterliegen der strengen Klauselkontrolle des ABGB und – wenn der Versicherungsnehmer Verbraucher ist – des KSchG. Die Klauseln dürfen demnach nicht überraschend, gröblich benachteiligend oder intransparent sein, weil sie ansonsten nichtig sind. Im Verbraucherrecht ist neben dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG vor allem § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu beachten. Prämienanpassungen sind demnach nur zulässig, wenn
■ sie zweiseitig sind, also bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung Erhöhungen und Senkungen auf beiden Seiten vorsieht;
■ die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag klar und verständlich umschrieben sind;
■ die Umstände für die Entgeltänderung sachlich gerechtfertigt sind und
■ der Eintritt der Änderungen nicht vom Willen des Unternehmens abhängt.
Die Prämienanpassungsklausel eines Feuerversicherers dürfte also nicht bloß eine Erhöhung der Prämie Inflation, sondern auch ihre Senkung bei Deflation vorsehen. Die Anpassung der Prämie ohne gleichzeitige Änderung der Versicherungssumme wäre ebenfalls unzulässig, weil nicht zweiseitig. Der passende Parameter könnte für die Versicherungssumme ein Immobilienpreisindex sein, während sich die Prämienanpassung nach dem Verbraucherpreisindex richten könnte.
FAZIT
Prämienanpassungsklauseln sind unter Einhaltung der gesetzlichen Schutznormen des ABGB bzw. des KSchG hinsichtlich eines überraschenden Inhalts, einer gröblichen Benachteiligung oder einer Intransparenz rechtens und in der Schadensversicherung unerlässlich, möchte der Versicherungsnehmer nicht Gefahr laufen, im Schadensfall unterversichert zu sein.
Liegt keine Prämienanpassungsklausel vor und erhöht der Versicherer eigenmächtig die Prämie, so liegt eine einseitige Vertragsänderung vor, die der geltenden Rechtslage widerspricht. Der Versicherungsnehmer kann auf Erfüllung des ursprünglich vereinbarten Vertrages klagen und ihm steht ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.