Naturalrestitution
| 31. Oktober 2022 | Recht
Die Naturalherstellung ist – neben dem Bereicherungsverbot – das zweite tragende Element im Schadenersatzrecht. Es ist grundsätzlich auf die Beseitigung des realen Schadens gerichtet, der in der tatsächlichen negativen Veränderung der Vermögensgüter des Geschädigten liegt. Für den Fall,
dass die Wiederherstellung unmöglich oder untunlich ist, ordnet § 1323 ABGB Geldersatz und damit
den Ausgleich des rechnerischen Schadens an. Es ist demnach der Naturalrestitution Vorrang zu geben. Während also die Naturalrestitution darauf abzielt, jenen Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte, und die Integrität des Geschädigten weitgehend zu schützen, wahrt der Geldersatz nur das bloße Wertinteresse des Geschädigten.
Naturalrestitution bei Sachschäden
Beim Sachschaden besteht die Naturalrestitution in der Reparatur der Sache und bei rechtswidrigem Entzug einer Sache in ihrer Rückgabe. Bei der Zerstörung einer vertretbaren Sache ist eine Sache
gleicher Art und Güte zu leisten.
§ 1323 spricht nur davon, dass alles in den vorigen Stand versetzt werden muss, sagt aber nichts darüber aus, wer die Wiederherstellung vornehmen muss. Nach heute allgemeiner Auffassung kann der Geschädigte vom Schädiger die Vornahme der Wiederherstellung fordern, er kann aber auch die Wiederherstellung selbst vornehmen oder vornehmen lassen und den Ersatz der Aufwendungen verlangen. In beiden Fällen handelt es sich um Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB.
Unmöglichkeit und Untunlichkeit
Der Anspruch auf Naturalrestitution besteht nicht, wenn sie unmöglich oder untunlich ist. Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Wiederherstellung ein dauerndes Hindernis entgegensteht.
Untunlichkeit ist anzunehmen, wenn das Interesse des Schädigers, bloß Wertersatz zu leisten, das Integritätsinteresse des Geschädigten wesentlich übersteigt. So wird beispielsweise Untunlichkeit unterstellt, wenn bei einer KFZ-Havarie die Reparaturkosten die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert signifikant – 10%-Regel – übersteigt.
Selbstreparatur
Wird die Reparatur – vom Schädiger oder vom Geschädigten – selbst vorgenommen, so erhebt sich die Frage, ob seitens des Versicherers nicht nur die Kosten, sondern auch ein handelsüblicher Gewinn zu ersetzen wäre.
Unstreitig ist, dass jedenfalls der entstandene tatsächliche Aufwand zu bezahlen ist. Dieser beinhaltet sowohl Material als auch Personal. Weiters ist unstreitig, dass die Kosten einer fachgerechten Reparatur durch einen Professionisten die Obergrenze des Schadenersatzes darstellen.
Ein Abschlag ist vorzunehmen, wenn die Reparatur qualitativ und/oder quantitativ hinter den Vorgaben des Sachverständigen zurückbleibt.
Fiktive Reparaturkosten werden in der Regel nicht in voller Höhe ersetzt, wenn sie höher als die objektive Wertminderung sind. Eine darüberhinausgehende Leistung würde zu einer dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechenden Bereicherung des Geschädigten führen. Danach stellt die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Sache im unbeschädigten und dem im beschädigten Zustand das Höchstmaß des zuzusprechenden Ersatzes dar.
Die Fragestellung Gewinnzuschlag JA/NEIN wird in der Praxis kontroversiell diskutiert. Befürworter treten für die Verrechnung eines auslastungsunabhängigen Berechnungsansatzes des „Wertverzehrs“ aus , während Gegner das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot ins Treffen führen.
Der Blick zu unseren Nachbarn nach Deutschland hilft in diesem Fall leider nicht, da es im deutschen Versicherungsvertragsrecht ein Bereicherungsrecht, wie wir es kennen, nicht gibt. Die deutsche Judikatur geht demnach, vorausgesetzt ist, es lag eine Vollauslastung der Werkstatt vor, von einer rechtmäßigen Verrechnung von Gewinnzuschlägen aus.