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Haften Eltern wirklich für Ihre Kinder?

Avatar of Mag. Alexander Meixner Mag. Alexander Meixner | 25. Oktober 2022 | Recht

 

Minderjährige Kinder sind ab Vollendung des 14. Lebensjahres deliktsfähig und schadenersatzpflichtig. Für jüngere Kinder haften die Eltern nicht automatisch, sondern nur dann, wenn eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorzuwerfen ist.

 

Grundlagen

Eine rechtswidrige Schadensverursachung führt nur dann zur Haftung, wenn sie auch subjektiv vorwerfbar ist. Das ist dann der Fall, wenn man vom konkreten Schädiger erwarten konnte, dass er sich rechtmäßig verhält. Während Rechtswidrigkeit also ein Urteil über die Tat ist, ist die Schuld ein Urteil über den Täter.

Es bedarf bestimmter geistiger Fähigkeiten, um „richtig“ von „falsch“ unterscheiden zu können. Demnach ist eine Person als deliktsunfähig einzustufen, wenn ihr eine eigene rechtswidrige Tat aufgrund ihrer geistigen Fähigkeiten nicht vorgeworfen werden kann, was in weiterer Folge die Haftung für den entstandenen Schaden ausschließt.

 

Deliktsfähigkeit

Die geistige Reife und damit die Deliktsfähigkeit ist nach § 1308 ABGB typischerweise abhängig vom Alter und vom Geisteszustand:

Die Deliktsfähigkeit wird mit Vollendung des 14. Lebensjahres (Mündigkeit) erreicht.

Mündige, denen die notwendige Einsichtsfähigkeit fehlt, haften nicht für ihr Verhalten. Ob die Störung nur vorübergehend oder von Dauer ist, spielt keine Rolle. Es kommt stets auf die Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat an.

 

Haftung bei fehlender Deliktsfähigkeit

Hat ein Deliktsunfähiger einen Schaden zugefügt, heißt das noch nicht zwingend, dass der Geschädigte „leer“ ausgeht. Unter bestimmten Umständen haften nämlich die Aufsichtspersonen oder es kommt die Billigungshaftung zur Anwendung.

 

ad Aufsichtspflicht

Aufsichtspflicht besteht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit, also bis zum 18. Lebensjahr. Aufsichtspflichtige haben dafür zu sorgen, dass die ihrer Aufsicht unterstehenden Kinder selbst nicht zu Schaden kommen und auch keinen anderen Personen Schaden zufügen. Eine derartige Pflicht kann sich ergeben

aus dem Gesetz (z. B.: Eltern, Lehrkräfte während der Schulzeit),

aus einem Vertragsverhältnis (z. B.: Hort, Babysitter),

aus freiwilliger Gefahrenübernahme (z. B.: freiwillige Übernahme der Aufsichtspflicht für ein fremdes Kind am Spielplatz).

 

Strikte Regeln zur Aufsichtspflicht gibt es nicht. Der Umfang richtet sich danach, was angesichts des Alters, der Eigenschaften und der Entwicklung des Kindes vernünftigerweise von diesem verlangt werden kann.

Aufsichtspersonen haften aber nur dann für den entstandenen Schaden, wenn Ihnen eine Aufsichtspflichtverletzung im Sinne des § 1309 ABGB vorwerfbar ist.

 

ad Billigkeitshaftung

Erlangt der Geschädigte wegen Verletzung der Aufsichtspflicht oder Vermögenslosigkeit der Aufsichtsperson keinen Ersatz kann subsidiär ausnahmsweise der (an sich deliktsunfähige!) Schädiger selbst haftbar werden. § 1310 ABGB normiert diese Form der Haftung,

wenn der Schädiger im Einzelfall doch die Fähigkeit hatte, das Unrecht seiner Tat einzusehen 1  und/oder

wenn der Schädiger über ein Vermögen verfügt.2

 

Judikate 3

Ein 12-jähriges Kind war ohne Aufsichtsperson mit seinem Roller zu ungestüm auf dem Gehsteig unterwegs. Er kam zu Sturz, riss dabei den Außenspiegel eines parkenden Autos ab und verursachte einen tiefen Kratzer in der Seitentüre.

Der Geschädigte klagte auf Schadenersatz wegen Verletzung der Aufsichtspflicht, das Gericht entschied gegen ihn. Das Rollerfahren ohne Begleitperson ist für 12-jähre ohne Aufsichtsperson erlaubt.

Ein 13-jähriger lief zwischen geparkten Autos hervor und verursachte einen Verkehrsunfall mit einem KFZ. Der Lenker war ordnungsgemäß unterwegs und hatte daher keine Chance den Unfall zu verhindern. Es entstand erheblicher Sachschaden am Fahrzeug, den der Fahrzeughalter einklagte. Das Gericht entschied gegen den Geschädigten.

Ein Zweijähriger in Begleitung seiner Eltern stieß mit einem Laufrad in einer Fußgängerzone eine 80-Jährige nieder, die einen Armbruch erlitt. Der Fall ging bis zum OGH, dieser entschied: Das Fahren sei nicht grundsätzlich verboten, nur dürfe niemand behindert werden; angesichts der bevölkerten Fußgängerzone hätte das Laufrad gar nicht benutzt werden dürfen. Somit sei die Aufsichtspflicht verletzt worden.

 

Privathaftpflichtversicherung als Vermögen

§ 1310 ABGB überlässt es dem Ermessen der Gerichte, ob eine Billigkeitshaftung gegeben ist oder nicht. Wird eine solche bejaht, dann muss der Unmündige Schadenersatz leisten. Dieser Ersatz kann den gesamten Schadensbetrag oder nur einen Teil desselben ausmachen. Eine zugunsten des Unmündigen bestehende Haftpflichtversicherung wird dabei nach aktueller Rechtsprechung als Vermögen angesehen, was die Chancen des Geschädigten auf Zuspruch eines Schadenersatzes gegenüber dem (an sich deliktsunfähigen!) Minderjährigen stark steigen lässt. In der Praxis führt dieser Umstand dazu, dass Haftpflichtversicherer bei Schäden mitversicherter Unmündiger 4 regulierend einspringen und den Schaden übernehmen.