Erwachsenenschutz und Erwachsenenvertretung
| 02. Juli 2018 | Recht
Erwachsenenschutz und Erwachsenenvertretung
Das Viersäulenmodell
Mit 1.7.2018 trat das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft, welches das alte System der Sachwalterschaft ablöst. Durch die neuen Regelungen soll es zu einer Stärkung der Selbstbestimmung von Personen kommen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder kognitiven Beeinträchtigung nicht mehr ausreichend entscheidungsfähig sind.
Bislang wurde ein Sachwalter bestellt, wenn ein Mensch aufgrund seiner geistigen Beeinträchtigung oder psychischen Erkrankung nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen und auch durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger keine Abhilfe geschaffen werden konnte.
Unter dem Druck der Behindertenrechtskonvention der UNO (UN-BRK), die eine Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung vorsieht, entschloss sich der Gesetzgeber, das Institut der Sachwalterschaft komplett zu überarbeiten. Die gesetzliche Novelle ersetzt Sachwalterschaft und Angehörigenvertretung durch die Erwachsenenvertretung.
Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken. Der Mensch soll möglichst selbst bestimmen, wer ihn vertritt, wenn er einmal nicht mehr entscheidungsfähig ist. Bevor überhaupt ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter tätig werden kann, müssen alle vorhandenen Möglichkeiten der Unterstützung, insbesondere Angehörige, Betreuer und Beratungsstellen, ausgeschöpft werden. Bisher erfolgte ziemlich rasch bei fehlender Entscheidungsfähigkeit die Bestellung eines Sachwalters. Der Betroffene konnte dann in jenen Angelegenheiten, für die der Sachwalter berufen wurde, nicht mehr selbst entscheiden. Diese Vorgehensweise soll zukünftig der absolute Ausnahmefall sein. Nur dann, wenn das Gericht bei der Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters im Beschluss einen Genehmigungsvorbehalt vorsieht, darf ausschließlich der Erwachsenenvertreter die Entscheidung treffen. In allen anderen Fällen der Stellvertretung verliert die betroffene Person nicht automatisch ihre Handlungsfähigkeit. Das Gesetz soll langfristig auch den Effekt haben, die Gerichte zu entlasten, indem eine Verringerung der gerichtlichen Erwachsenenvertretungen erreicht wird. Darüber hinaus wurde das Gerichtsverfahren gestrafft. Allerdings gibt es nun im Bereich der früheren Angehörigenvertretung eine gerichtliche Kontrolle und selbst bei der Vorsorgevollmacht müssen – anders als früher – bestimmte Vertretungshandlungen gerichtlich genehmigt werden.
Getragen wird das neue Erwachsenenschutzgesetz von vier Säulen:
■ Vorsorgevollmacht,
■ gewählte Erwachsenenvertretung,
■ gesetzliche Erwachsenenvertretung,
■ gerichtliche Erwachsenenvertretung
Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter darf nur dann tätig werden, wenn die von ihm zu vertretende Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist.
Bei der Vorsorgevollmacht und der gewählten Erwachsenenvertretung bestimmt die zu vertretende Person aufgrund einer Vollmacht bzw. einer Vereinbarung, wer sie vertreten soll und für welche Angelegenheiten diese Person tätig werden soll.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt dann zum Tragen, wenn es keine bzw. keine ausreichende Vertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten oder gewählten Erwachsenenvertreter gibt und kein nächster Angehöriger diese Aufgabe übernehmen möchte.
Die Bestellung eines Erwachsenenvertreters durch das Gericht ist vom Gesetz als Ausnahmefall konzipiert und soll erst dann erfolgen, wenn keine der drei anderen Säulen einen ausreichenden Schutz für die in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigten Person bietet. Ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter darf anders als bisher bei der Sachwalterschaft nicht pauschal für alle Angelegenheiten bestellt werden.