Die "schleichende" Gefahr der Arbeitsroutine
| 03. Mai 2023 | Recht
Mit dem Blick über die Schreibtischkante auf der Suche nach der bedarfsorientierten Versicherungssumme in der Eigenheimversicherung.
Jetzt mal ehrlich, wir kennen es doch alle. Kundengespräche, Risikoanalyse und dann die verbauten Quadratmeter für die Eigenheimversicherung in unsere „Vergleichs“-Systeme eingeben. Das Produkt daraus ist dann doch eine recht unterschiedliche Versicherungssumme – dargelegt als anzunehmender Neuwert. Aber ist genau dieser Wert für unsere Kunden auch als bedarfsorientiert anzusehen?
Noch einmal ehrlich: Die Eigenheimversicherungen sind meist oft massiv unterdeckt, das heißt nicht unterversichert gem. §56VersVG (diese dazu im Folgendem). Eine Kontrolle der bedarfsorientierten Versicherungssumme ist somit unabdingbar, warum?
Wenn wir ein Haus bauen, wissen wir um die Baukosten Bescheid. Wenn wir ein Haus oder Gebäude kaufen, wissen wir bekanntlich auch den Kaufpreis. Aber widerspiegeln all diese Beträge auch genau jenen Betrag wider, den ich mir in einem Groß- oder Totalschaden von der Versicherung erhoffe. In den meisten Fällen leider nein. Woran liegt dies?
Die Gründe dafür sind gar nicht so vielfältig: Die Versicherungen gehen bei der Kalkulation eines Eigenheimes meistens von der verbauten Grundfläche aus und fragen dann nach den weiteren Stockwerken. Pro Quadratmeter verbauter Fläche für das Eigenheim kalkulieren viele österreichische Versicherungen um die € 1.600,-- (Tendenz leicht steigend). Praxisbeispiel: Wir gehen von einem Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von 100 Quadratmeter aus (Keller, Erdgeschoß samt darüber liegendem Stockwerk als Mansarde), somit 300qm verbauter Fläche. Dies widerspiegelt eine beispielshafte Versicherungssumme von
€ 480.000,--.
Habe ich die Quadratmeterangaben bei der Versicherung richtig angegeben, so geht meist auch ein sogenannter Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung seitens des Versicherers einher, dies ist gut und wichtig. Dies bedeutet aber im angenommenen Totalschadensfall, dass ich „nur“
€ 480.000,-- maximal von der Versicherung erhalte. Die tatsächlichen Neubaukosten in einem angenommenen Totalschadensfall betragen aber meist mehr als das Doppelte. Die Baukosten sind in den letzten 20 Jahren massiv gestiegen. Baute der gemeinnützige Wohnbau vor noch geraumer Zeit um knapp € 2.000,-- pro Quadratmeter, so sind wir heute schon fast dem Doppelten angekommen. Die Versicherungen nun an den Pranger zu stellen, ist sicherlich die falsche Reaktion, vielmehr sollte man versuchen die bedarfsorientierte Versicherungssumme mit einem Experten zu besprechen und zu vereinbaren. Dies ist bei den uns bekannten Baukosten mehr als existenzabsichernd für unsere Kunden.
Aber Achtung: Wir als Versicherungsmakler:innen sind keine §1299 Sachverständige gem. ABGB für die Immobilienbewertung! Es empfiehlt sich somit, die Schätzung der Immobilien durch den Versicherer in Auftrag geben zu lassen, bekanntlich nach vorheriger Besprechung mit dem Kunden.
Jetzt mal ganz trocken: Die richtige Versicherungssumme kann nur vom Kunden oder einem gerichtlich beeideten Sachverständigen für Immobilienbewertung kommen.
Somit empfehle ich den Blick über die Schreibtischkante weiter zu wahren, denn es scheint manchmal ein Trugschluss zu sein, wenn der Mensch meint, alles unter Kontrolle zu haben.
Franz Grillparzer hat einmal gesagt: „Die Ungebildeten haben das Unglück, das Schwere nicht zu verstehen, dagegen verstehen die Gebildeten häufig das Leichte nicht, was ein noch viel größeres Unglück ist.“
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