Die Gefahr der Natur
| 15. März 2021 | Wirtschaft & Steuern
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Naturkatastrophen weltweit stark gestiegen. Auch Österreich ist gefährdet. Durch die Topografie in Österreich gilt jedes Bundesland als Risikogebiet für Naturkatastrophen. Hierzulande sind es vor allem Extremwetterereignisse wie Stürme, Hochwasser, Schnee und Hagel, Hitzewellen sowie die unterschätzte Erdbebengefahr die Präventivmaßnahmen immer wichtiger machen. In Österreich gibt es keine Region, die nicht von Extremwetterereignissen betroffen sein kann. Risiken und Risikozonen sind den Menschen zu wenig bekannt. Eine Vielzahl von Studien zeigen deutlich, dass die Menschen die Gefahren, die von Extremwetterereignissen ausgehen, stärker unterschätzen als bislang angenommen. Trotz einiger Hochwasserereignisse in den letzten Jahren, wissen derzeit nur ca. 40 Prozent der Befragten, dass sich ihr Wohnort in einer Hochwassergefährdungszone befindet. Ein Grund mehr, unsere tägliche Arbeit als „Risikomanager“ in diese Richtung nicht neu zu überdenken, aber sensibilisieren sollten wir es auf alle Fälle. Die möglichen Erhöhungen in der Sparte Sturm bzw in der Naturkatastrophendeckung sollten wir nicht vernachlässigen.
Somit freut es mich besonders, Ihnen einen profunden Kenner der Geologie, Mag. Ludwig Fegerl vorzustellen, der uns in den folgenden Zeilen seine Sicht der Geologie und deren Gefahr schildert.
Ruhig schlafen, wenn es draußen donnert, blitzt und stürmt.
In Zeiten sich immer konzentrierter entladender Gewitterzellen und länger anhaltender Niederschlagsperioden durchaus eine Herausforderung. Aus meiner beruflichen Tätigkeit als Geologe des Landes Salzburg habe ich viel mit der Beurteilung und Bekämpfung von alpinen Naturgefahren zu tun. Dabei zielen wir an Wohnobjekten auf ein hohes Schutzniveau ab, da nirgends sonst so wahrscheinlich und zu ungünstigeren Witterungsbedingungen Personen aufhältig sind. Doch einen guten Schutz zu erzielen ist oft ein jahrelanger Prozess und selbst dann verbleiben Restrisiken. Und so kenne ich einige exponierte Bereiche, bei deren Bewohnern die Alarmglocken schrillen, wenn die Unwetterwarnzentrale auf rot oder violett schaltet. Die schnell noch Autos wegstellen, Gräben ausräumen und Fenster verbarrikadieren. Da treffen natürlich Slogans wie „Ihre Sorgen möchten wir haben“ genau ins Schwarze.
Wir sind mit unserer Besiedelung in Bereiche vorgedrungen, die die Natur noch aktiv verteidigt und die mit dem Klimawandel vor eher düsteren Prognosen stehen. Die Raumordnung versucht dieser Entwicklung entgegenzusteuern, doch oft sind alte Widmungssünden nicht umkehrbar, Flächen bereits bebaut und müssen nachträglich mit aufwendigen Schutzbauten gesichert werden – sofern die Eigentümer ihre Anteile dafür tragen können. Doch auch wenn Flächen für die Bebauung freigegeben werden, heißt dies nicht, dass sie frei von allen naturräumlichen Gefährdungen wären, nicht Restrisiken verbleiben würden und alle Entwicklungen vorausgesehen wurden. Die Landschaft verändert sich, oft auch rasant, und mit ihr die Naturgefahren.
Bezüglich der Bekämpfung von Naturgefahren ist es nach wie vor die Pflicht eines jeden Bürgers, sich und sein Gut bestmöglich und im eigenen Rahmen zu schützen. Natürlich ohne gleichzeitig dem Nachbarn das Wasser ins Haus zu leiten… Oft helfen kleine bauliche und organisatorische Maßnahmen – bei der Planung eines Neubaus bedacht, meist nicht einmal mit Mehrkosten verbunden – aber nicht nur…
Mit dem Ereignis kommt oft die private Katastrophe.
Das Erdgeschoß angefüllt mit Schlamm, die Kinder noch ins Obergeschoß gerettet, die Fenster eingedrückt, kein Strom, kein Wasser…
Zur Bewältigung von Schock und Schaden braucht es Hilfe aller Art – Nachbarn, Feuerwehr, Gemeinde, Katastrophenschutz, Bundesheer. Und ganz wesentlich – Versicherungen. Gut versichert lässt sich so eine Katastrophe fraglos viel leichter ertragen. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail und so manche Top-Versicherung stellte sich im Ereignisfall dann als Flop heraus.
Durch meine Erfahrungen habe ich den Eindruck gewonnen, dass kaum einer der Versicherungsnehmer eine Vorstellung über die tatsächlich am Bauplatz drohenden Naturgefahren hat und die resultierenden Risiken abschätzen kann. Ob es nun Baumbrüche aus dem nahen Wald sind, Oberflächenwasser, Hangrutschungen aus dem steilen Oberhang, Muren aus Gräben, Steine und Eis aus unauffälligen Felsstufen oder weit entfernten Wänden. Oder das klassische Hochwasser. Die Quellen zerstörerischer Naturgefahren sind äußerst vielfältig.
Daraus ist mir in der Katastrophenbewältigung schon mehrere Male eine Fehlversicherung begegnet, die den Versicherungsnehmer schließlich nicht aushalf, weil der Haushalt z.B. nicht gegen Hangrutsch, sondern nur gegen Mure oder umgekehrt versichert war. Der Unterschied wird wohl nur den Wenigsten bekannt sein. Dies dem Versicherungsnehmer zu übertragen halte ich für schwierig. Vereinfacht geht es um den prozentualen Wasseranteil im Prozess – hoher Wasseranteil = Mure, niedriger Wasseranteil = Hangrutsch. Dass die Natur dieser strikten Klassifikation außerdem nicht gerne folgt, auch von Hangrutsch zu Mure wechselt und umgekehrt, oder sich nur teilverflüssigt, macht die Situation dann nur noch undurchsichtiger. Das beobachtete Resultat: Zum Zeitpunkt der völligen privaten Katastrophe nach dem Schadensfall eine weitere Hiobsbotschaft – die Versicherung deckt diese Naturgefahr nicht ab.
Ein ganz aktuelles Beispiel: Ein landwirtschaftliches Gebäude wird von einer Mure zerstört. 30 Höhenmeter darüber wäre es noch eine Hangrutschung gewesen, dann hätte die Versicherung gezahlt. Vielleicht spitzfindig, aber jedenfalls unangenehm und vermeidbar. Ein ähnlicher Fall aus 2013 betraf ein Mehrfamilienwohnhaus, das im Zuge einer Flächenkatastrophe von einer Mure zerstört wurde, aber eben nicht von einer Hangrutschung.
Wohl besser im Schlechten verlief folgender Fall auf der sprichwörtlich grünen Wiese, der auch bereits Lösungswege aufzeigt. Unauffällig, trocken, bester Baugrund. Nur verlief durch den Bauplatz eine unscheinbare Mulde. Jahr und Tag kein Problem, doch dann, im Zuge eines Starkniederschlages, entwickelte sich entlang der Mulde und dann durchs Wohnzimmer ein Sturzbach – wer hätte das gedacht. Der Schaden war zwar versichert, er wäre aber wie das damit verbundene menschliche Leid leicht vermeidbar gewesen.
Damit möchte ich letztlich dazu appellieren, bei der Vermittlung einer Haushaltsversicherung die Durchführung einer Naturgefahrenbeurteilung zu empfehlen. Das muss kein aufwendiger Gutachtensprozess sein, eine Recherche und ein Augenschein eines Fachkundigen können die relevanten Naturgefahren bereits frühzeitig bezeichnen und damit eine treffsichere Versicherung ermöglichen.
Letztlich wäre es sogar zielführend, auch die Projektierungen von Baumaßnahmen, insbesondere in Hanglage oder am Hangfuß, bereits durch einen Fachkundigen durchsehen und Verbesserungen anregen zu lassen. Maßnahmen wie hochgezogene Kellerschächte, Entfall von Öffnungen an der Hangseite, Anpassung des Baumaterials. Aber auch Gräben pflegen, Bäume pflanzen, Hanganschnitte nicht ungestützt belassen, das Gelände bei der Bauform mit einbeziehen, Erreichbarkeiten für Maßnahmen und Beräumungen bedenken, Zustimmungen der Nachbarn frühzeitig einholen, usw...
Gute Vorbereitungen und treffsichere Versicherungen, eine Kombination, die auch in stürmischen Zeiten ruhiger schlafen lässt.