Betriebsunterbrechung
| 06. August 2017 | Wirtschaft & Steuern
Betriebsunterbrechung
Die Folgen und wie sich Unternehmen davor schützen können
Der Begriff Betriebsunterbrechung bedarf in der Regel keiner großen Definition oder Interpretation. Im Wesentlichen geht es darum, dass ein Betrieb auf Grund von inneren oder äußeren Umständen nicht in der Lage ist, seine Produktions- oder Dienstleistungsprozesse aufrechtzuerhalten.
Abhängig von Zeitpunkt und Dauer der Betriebsunterbrechung hat dies natürlich negative Auswirkungen auf das betroffene Unternehmen, sowohl auf der Kosten- als auch auf der Erlösseite.
Höhere Kosten entstehen dabei durch steigende Arbeits- und Servicekosten (Überstunden, Sonderschichten), eventuelle Produktrückholungen, eine steigende Kapitalbindung durch verspätete Auslieferungen und verzögerte Zahlungen durch Kunden, aber auch durch steigende Rohwaren- und Halbfertigwarenbestände.
Noch dramatischer stellen sich die Effekte auf der Erlösseite dar. Der kurzfristige Verlust von Umsatz, Deckungsbeitrag und Gewinn ist zwar durch ein gutes Deckungskonzept versicherbar und stellt daher häufig keine direkte Existenzbedrohung dar. Andererseits drohen Kundenbeschwerden und in letzter Konsequenz auch massive Kundenverluste, wenn über einen gewissen Zeitraum keine Lieferungen erfolgen. Dieser Reputationsverlust reduziert künftig die Marktchancen drastisch. Statistisch drückt sich dieses Phänomen so aus, dass von 10 Unternehmen, die einen Großschaden erleiden, 4 Unternehmen nach so einem Ereignis nicht mehr existieren oder eine geänderte Eigentümerstruktur aufweisen. Kunden-, Markt- und Reputationsverluste stellen daher auf längere Sicht die größten Risiken und Schadentreiber im Zuge einer Betriebsunterbrechung dar!
Die Ursachen
Sind eingangs innere und äußere Umstände als mögliche Ursachen für Betriebsunterbrechungen genannt worden, so gilt es, diese Risiken in Folge etwas detaillierter zu betrachten. Innerhalb des Unternehmens können „klassische“ Sachschäden aus den Gefahren Feuer, Explosion, Wind, Schneelasten, Starkregen und Überschwemmung, aber genauso Maschinenbruch oder IT-Ausfall zu Betriebsunterbrechungen führen.
In einer immer komplexer und arbeitsteiliger werdenden Welt lauern die Gefahren aber auch außerhalb des Unternehmens! Cyberkriminalität ist eines der aufkommenden Phänomene, die zunehmend auch Klein- und Mittelunternehmen bedrohen. Beispielsweise werden ERP-Systeme lahmgelegt und ein Unternehmen ist handlungsunfähig bis entsprechendes Lösegeld bezahlt wird. Ein publik gewordener Fall ist ein prominentes Hotel, wo Buchungssystem und Schließsysteme „angegriffen“ waren, was zu erheblichen Kosten durch Kundenverlust und Mehrkosten für Sicherheitsdienste geführt hat. Das Gros solcher Attacken wird nicht öffentlich gemacht, aber deren Anzahl wird künftig sicher weiter steigen. Auf natürlichem Weg bedrohen beispielsweise Pandemien die Lieferfähigkeit von Unternehmen und Organisationen.
Ausfälle in der Lieferkette stellen ebenso ein erhebliches Unterbrechungspotenzial dar. Zu erwähnen ist hier, dass rund 40% der Unterbrechungen nicht aufgrund eines Problems des direkten Lieferanten auftreten, sondern die Ursache bei Sublieferanten oder noch weiter hinten in der Lieferkette liegen. Die Gründe liegen hierfür im europäischen Raum meist bei den zuvor erwähnten Risiken, d.h. Risiken, die bei einem Zulieferer schlagend werden. Im nicht-europäischen Raum kommen noch Risiken von Unruhen, Handhabung von Handelsvereinbarungen, etc. hinzu. Erwähnenswert sind hier Entwicklungen von transnationalen Beziehungen wie etwa Russland-Europa, Europa-Türkei, USA-Mexiko, aber auch der bevorstehende Brexit.
Versteckte Risiken
Ein weiteres Risiko liegt im Bereich des Transportes. Streiks bei Logistikunternehmen beeinflussen ebenso die Lieferketten und damit die Lieferfähigkeit von Unternehmen (allerdings meist nur kurzfristig und mit gewisser Möglichkeit der Subsidiarität) wie Konkurse. Ein prominentes Beispiel war die Insolvenz von Hanjin (vor der Insolvenz Nr. sieben der Welt bei Schifffahrtsunternehmen). Die Folgen: 70 Containerschiffe samt Waren mit einem Wert von 14 Milliarden US-Dollar konnten keine Häfen mehr anlaufen, da selbst die Hafengebühren nicht mehr gedeckt waren. Auch österreichische Unternehmen waren betroffen und konnten nicht auf ihre Lieferungen zugreifen.
Am Ende der Erläuterungen von möglichen Ursachen und Risiken die zu Betriebsunterbrechungen führen können, sei noch die Verfügbarkeit von Infrastruktur erwähnt. Die Stromnetze in Europa werden immer belasteter und volatiler. Mussten vor noch nicht allzu langer Zeit Netzbetreiber eher selten steuernd eingreifen (wenige Male im Jahr) so beläuft sich die Anzahl dieser Eingriffe heute schon auf einige Male täglich. Stromausfälle regional oder überregional, kurzzeitig oder über mehrere Tage sind realistische Szenarien und werden auch bei Übungen der öffentlichen Hand entsprechend mitberücksichtigt.
Die Lösung
Die Bedrohung von Unterbrechungen der Lieferfähigkeit ist allgegenwärtig und die möglichen Ursachen mannigfaltig. Was also tun?
Risikotransfer bietet für versicherbare Risiken solide Lösungen. Hier ist darauf zu achten, dass in der Regel nur eine Betriebsunterbrechung in Folge eines versicherten Sachschadens gedeckt ist. Genauso verhält es sich bei den Wechsel- und Rückwirkungsschäden, auch hier muss ein Sachschaden einer versicherten Gefahr ursächlich für die Betriebsunterbrechung sein. Bei Versicherungslösungen sollte auf die Wahl der richtigen Versicherungssumme (gegebenenfalls auf die Höchstentschädigung) genauso geachtet werden wie auf die richtige Laufzeit der Betriebsunterbrechungsdeckung. Häufig werden speziell bei kleineren Unternehmen gerade bei der Laufzeit zu geringe Annahmen getroffen, da nicht von dem Worst-Case-Szenario ausgegangen wird.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass speziell bei Umwelt- und Personenschäden behördliche Untersuchungen die Unterbrechungsdauer deutlich verlängern können. Generell kann man festhalten, dass Aufräumarbeiten, notwendige Planungsleistungen, behördliche Untersuchungen und gegebenenfalls neue behördliche Auflagen sowie notwendige Zertifizierungsprozesse (wie beispielsweise in der Automobilebranche, in der Luftfahrtindustrie, im Lebensmittel- und im Pharmabereich) eine teils erhebliche Ausdehnung der Wiederanlaufzeit mit sich bringen.
Der drohende Markt- und Kundenverlust, sowie der Eintritt von nicht-versicherbaren Risiken brauchen allerdings eine andere, zusätzliche Form der Risikohandhabung. Um die Bedürfnisse der Kunden auch in der Krise bzw. im Notfall befriedigen zu können, muss man einerseits die kritischen Prozesse und Ressourcen zur Leistungserstellung identifizieren und bewerten und andererseits die Key-Kunden und die jeweilige kritische Bedarfszeit kennen. Mit einem antizipativen Business-Continuity-Management (BCM) werden diese Parameter erhoben, die entsprechenden Betriebsfortführungspläne entwickelt und auch auf deren Wirksamkeit getestet. Konkret geht es darum sicherzustellen, dass für die wichtigsten Kunden und Märkte die Lieferfähigkeit innerhalb eines vom Kunden vertretbaren Zeitraumes wiederhergestellt werden kann.
Für diesen Plan B gibt es unterschiedliche Lösungsansätze, die einer Einzelfallbetrachtung unterzogen werden müssen. So können Pufferlager (teilweise örtlich getrennt) für kritische Rohstoffe oder Halbfertigwaren gehalten, Redundanzen bei Maschinen, Werkzeugen und infrastruktureller Versorgung eingerichtet, oder auch Bereitstellungs- und Kooperationsverträge mit anderen Marktteilnehmern (Stichwort: „Coopetition“) abgeschlossen werden.
Daneben zielen die Betriebsfortführungspläne auch darauf ab, das Ausmaß von möglichen Sachschäden zu verringern. Dies erreicht man beispielsweise durch gesichertes Herunterfahren von kritischen Prozessen, oder durch das gezielte Umlagern von Vorräten, sensiblen Werkzeugen und Maschinen wenn beispielsweise eine Vorwarnstufe (etwa bei Hochwasser) erreicht wird.
Haftung mitdenken
Neben den Unternehmen wird diese Gewährleistung der Liefer- und Servicefähigkeit ebenso für öffentliche Bereiche, wie beispielsweise für Gemeinden, auch aus Haftungsgründen künftig immer wichtiger. So gibt es in Deutschland erste Prozesse über die Nicht-Bereitstellung von Kindergartenplätzen, angestrebt von berufstätigen Eltern.
Business-Continuity-Management ist somit das Instrument, die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens bzw. der Organisation zu erhöhen, um die Lieferfähigkeit sicherzustellen mit dem Ziel, Kundenbedürfnisse auch im Störfall befriedigen zu können und damit den Fortbestand des Unternehmes zu sichern.
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- betriebsunterbrechung
- ausgabe 01/2017